Vom 01.10. – 10.10.2021 fand auf der griechischen Insel Kreta die ACO-Senioren-Weltmeisterschaft statt. Gespielt wurde in einem 5-Sterne-Hotel direkt am Strand. Es gab All-Inclusive-Verpflegung und alles war Corona-konform bestens organisiert. Pandemiebedingt waren in diesem Jahr etwas weniger Teilnehmer am Start, aber immerhin 173 Spieler aus 18 Nationen kämpften um Titel, Preise und Pokale. Gespielt wurde in 7 Wertungsgruppen, ich selber spielte in Gruppe B (ELO 2000 – 2200). Für mich stand in diesem Jahr allerdings der Urlaubsgedanke im Vordergrund, schließlich gab es in den letzten zwei Jahren nicht wirklich die Gelegenheit, Urlaub zu machen. Aber manchmal zahlt sich eine gewisse Lockerheit ja auch aus…
In der ersten Runde musste ich mit Schwarz gleich gegen die Nummer eins der Setzliste antreten, einen Schweden mit 2164 ELO. Es entwickelte sich eine spannende Partie, in der ich lange Zeit mit dem Rücken zur Wand stand. Mein Gegner ließ jedoch mehrere Chancen zum Gewinn aus, so dass ich diese Partie sogar noch zu meinen Gunsten drehen konnte. Hier gibt es diese Begegnung mit einem kurzen Kommentar von mir zum Nachspielen. Ein perfekter Einstand in so ein Turnier. In der zweiten Runde hatte ich Weiß gegen einen Dänen mit ELO 2155. Ich konnte einen Bauern gewinnen, fing dann aber an, rückwärts zu spielen und den Mehrbauern zu verteidigen. Das nutzte der Skandinavier konsequent zu einem sehenswerten Mattangriff aus. Da an diesem „Tag der Deutschen Einheit“ eine Doppelrunde angesetzt war, nutzte ich am Nachmittag die Möglichkeit, ein sog. „Bye“ zu nehmen. Das bedeutet, dass man nicht mit ausgelost wird, trotzdem aber einen halben Punkt gutgeschrieben bekommt. In Runde vier saß mir ein Schweizer mit ELO 2057 gegenüber. Nach dem von mir mit Weiß gerne gespielten Grünfeld-Gambit konnte ich den Mehrbauern behaupten und sogar einen Königsangriff starten. Diesen konnte der Eidgenosse zwar abwehren, allerdings nur auf Kosten eines nicht mehr aufzuhaltenden Freibauern. Runde fünf bescherte mir den ersten Deutschen (ELO 2044) als Gegner. Nach einigen taktischen Gemützeln nach der Vorstoß-Variante im Caro-Kann erreichte ich ein Doppelturm-Endspiel mit Mehrbauern, das jedoch aufgrund meiner offenen Königsstellung nicht zu gewinnen war, also Remis. An diesem Tag gab es wieder eine Doppelrunde und ich nutzte wiederum die Möglichkeit zu einem Bye und verbrachte den Nachmittag lieber am Strand. In Runde sieben traf ich wieder mit Schwarz auf den zweiten Deutschen (ELO 2129). Nachdem ich meinen Gegenüber durch einige Zugumstellungen aus der ursprünglich englischen Eröffnung ins Königsindisch „transferiert“ hatte, konnte ich abermals einen Bauern gewinnen. Mein Gegner startete dann jedoch einen starken Angriff, den ich fast unterschätzt hätte. Allerdings war er so auf seinen Angriff fokussiert, dass er eine versteckte Mattdrohung von mir erst sah, als es zu spät war. Die vorletzte Runde spielte ich dann an Tisch eins mit Weiß gegen einen FM aus Schweden (ELO 2156). Nach einem ausgeglichenen Verlauf bot ich nach 22 Zügen Remis an. Der Skandinavier versuchte jedoch noch, einen Königsangriff zu inszenieren. Nachdem ich dann überraschend für meinen König ein sicheres Plätzchen auf f2 gefunden hatte, bot er nun seinerseits Remis an. Mit nunmehr 5,0 Punkten hatte ich die Podestplätze in Reichweite. In der letzten Runde hatte ich noch mal Weiß gegen einen Engländer mit ELO 2095. Es gab mal wieder den Sämisch-Angriff gegen die königsindische Verteidigung. Diese Partie war ein „Spiel auf ein Tor“: Ich konnte meinen Angriff mit einem spektakulären Turmopfer auf f7 krönen und den ganzen Punkt verbuchen. Damit hatte ich 6,0 Punkte auf dem Konto und landete am Ende auf Platz 2 und wurde Vize-Weltmeister! Den Titel holte mit 6,5 Punkten der FM aus Schweden.
Dieses Turnier ist die optimale Mischung aus Schach und Urlaub. Das schöne Hotel mit dem tollen Strand, das (überwiegend) schöne Wetter, die sehr guten Spielbedingungen und die vielen netten Begegnungen. Abends saßen wir oft in geselliger Runde (quer durch Deutschland: Von Jesteburg über Fredersdorf bei Berlin, Magdeburg bis nach Koblenz war alles vertreten) zusammen und hatten eine Menge Spaß. Mein Fazit lautet also:
Diese Reise hat sich gelohnt!
Ralf Schöngart